Der erste Eindruck täuscht selten, dennoch gibt er selten gleich Einblick in die ganze Tiefe eines Themas oder in die ganze Persönlichkeit eines Menschen.
Ich schreibe Blogs zu zwei Themen: das einmalige und sonderbare Huttwil und das sonderbare und einmalige Lukanien. Zwei Welten so verschieden, die so viel gemeinsam haben.
Überzeuge Dich selbst!
Philippe
Thomas Piketty, den ich letzte Woche zitierte, und Francis Fukuyama warnen beide davor, dass die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung die Demokratie gefährde. Sie argumentieren anders, aber die Schlussfolgerung ist identisch.
Fukuyama geht von einem Verlust der Identität aus, die zu einem Verlust der Würde führt. Die Politik der Partikularinteressen der Machthabenden löse Widerstand aus. Benachteiligte Gruppen würden
um Würde und Gleichberechtigung kämpfen, wobei sie sich jedoch zunehmend auf Opfernarrative berufen, die sich gegen andere Gruppen richten, woraus ein gefährlicher neuer Tribalismus erwachsen
soll.
Die fehlende Perspektive auf ein Eigenheim ist ein solches Opfernarrativ in der Schweiz. Für die teuren Liegenschaften im Verhältnis zu den Einkommen wird die Zuwanderung verantwortlich gemacht.
Menschen, die aus der Schweiz ins benachbarte Ausland ziehen, weil die Lebenskosten deutlich tiefer sind, und zu Grenzgängern werden, sind ein klares Indiz, dass es Lösungen zu dieser fehlenden
Perspektive gibt. Der Einkaufstourismus in Grenzgebieten ist seinerseits ein Indiz für zu hohen Lebenskosten.
Aus den Opfernarrativen entstehen nicht nur Opfer. Einige wie Calogero Sedara in «il gattopardo” nutzen die Gunst der Stunde, um sich zu bereichern. Fälle von Korruption, auch in Staatsbetrieben,
poppen in der Schweiz nun in den Medien auf. Sie sind die Spitze des Eisbergs, der sichtbare Teil derjenigen, die sich sagen «wenn die da oben das dürfen, dann will ich auch meinen Anteil am
Kuchen» und sich bedienen. Parallelstrukturen entstehen, Sedara ist eigentlich ein früher Mafioso, er bietet eine Alternative zu den offiziellen Strukturen an, die den Menschen keine genügende
Perspektive mehr bieten.
Dieses Verhalten verstärkt den Eindruck der Mehrheit, dass sie benachteiligt wird. Feindbilder werden geschürt, Opfernarrative erhalten Aufwind. Die einen sehen Umverteilung als Lösung, darunter
gehört Thomas Piketty, andere rufen nach Fremdenregulierung, davor warnt Francis Fukuyama.
Die Schweiz befindet sich aktuell genau in dieser Phase, die in Süditalien vor der Gründung des Königreiches Italien stattfand. Die Vermögensschere öffnet sich, im Schatten der sichtbaren Reichen
bereichern sich «Emporkömmlinge» und Rufe nach Umverteilung oder Einheimischenbevorteilung werden laut.
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Graziantonio Dell'Arco ist einer der reichsten Männer Italiens und lässt sich vom verarmten Adligen Conte Yarno Cantini del Canto degli Angeli provozieren. Er will dem toskanischen Adligen beweisen, dass die Basilicata den besseren Wein produziert.