Dingdong! 16 Uhr. Ich war vor fünf Monaten gerade von einem Termin in der Ostschweiz zurück und hatte mir den Umweg über mein Büro in Bern erspart. Meine Frau arbeitete noch und die Kinder waren bei der Tagesmutter, als es an der Haustür klingelte. Vor der Türe steht ein Bauarbeiter: «Wir schliessen das Quartier ans Glasfasernetz an. Ist morgen um 8 Uhr jemand da, damit wir es auch in Ihr Haus ziehen können?». Eigentlich nicht, aber da ich am nächsten Vormittag keine Sitzungen hatte, habe ich kurzerhand etwas home office eingeplant und bin erst nach Bern gereist, als die Arbeiten abgeschlossen waren. Erstaunt hat mich, wie der Termin zustande kam. Da sprechen wir von einer Technologie für schnelles Internet, dem Eintritt ins digitale Zeitalter und die IBH schickt einen Meldeläufer!
Ab diesem Tag war unser Internet instabil und hatte immer wieder Ausfälle. Die RENET schickte einen Techniker, der interessanterweise nicht von der IBH sondern von der IB Langenthal kam. «Dir heit ja ke Pfus». Eh ja, deshalb sollten wir ja ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Der Techniker stabilisierte das Internet und versprach der IBH mitzuteilen, dass es bei uns dringend sei, das Glasfasernetz zu installieren. Von der IBH habe ich immer noch nichts gehört.
Die Swisscom hingegen hat sich gemeldet: «Wir haben gute Nachrichten …». Beim genauer Hinschauen, entpuppte sich die gute Nachricht zwar als viel mehr Power als heute, aber auch halb so viel, wie das Glasfasernetz bieten würde. Da hatte ich also die Wahl zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach.
An den Behörden liegt es nicht, die Gemeinde stellt sich dem Wandel, hat die Digitalisierung zum Thema des diesjährigen Wirtschaftsanlasses gemacht und auf dem Brunnenplatz eine Begegnungszone getestet. Obwohl wir alle immer mehr online einkaufen, kämpfen Huttwils Detaillisten beherzt um Parkplätze für ihre Kunden. Dass sogar gegen die Abgabe einer Gemeindeparzelle im Baurecht für eine KiTA in Schulhausnähe das Referendum ergriffen wurde, rundet das Bild ab. Ein Projekt für die Kinder, für die Wirtschaft, für Huttwil! Egal welches Thema des Standortmarketingkonzepts es betrifft: der Gemeinderat sieht Handlungsbedarf und ist mit passivem und aktivem Widerstand konfrontiert. So wird die Entwicklung Huttwils gehemmt. Unweigerlich kommt mir Gorbatschows berühmtes «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben» in den Sinn.
Ich war kürzlich in einem wunderschönen Dorf in Süditalien, das Anfang 1960er Jahre praktisch so gross war wie Huttwil. Seither hat es Dreiviertel seiner Bevölkerung verloren. Wer sich anderswo eine bessere Zukunft versprach, ist ausgewandert. Wunderschön ist das Dorf, weil es beim grossen Erdbeben 1980 schwer beschädigt wurde und die Landesregierung es mit viel Geld wiederaufgebaut hat. Heute erlebt das Dorf einen leichten Aufschwung. Nicht weit weg von Huttwil, gibt es eine ähnliche Geschichte. Die Annahme der «Rothenthurm-Initiative» zwang das Entlebuch sich neu zu erfinden. Die UNESCO Biosphäre brachte den erwünschten Wandel und Aufschwung.
Vielleicht braucht Huttwil auch so einen Zwang von Aussen. Sonst wird es wie Gorbatschow von den Ereignissen überrollt, weggeschwemmt. Gorbatschow soll übrigens den Satz nie so drohend formuliert haben, sondern positiver, aufmunternder: "Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren."
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