Als Mussolinis Faschisten ihn nach Aliano (Lukanien) in die Verbannung schickten, schrieb Carlo Levi seine Erlebnisse auf und veröffentlichte sie nach dem Krieg unter dem Titel «Cristo si è fermato a Eboli (Christus kam nur bis Eboli)». Der Titel des Buches war eine Aussage, der er immer begegnete und die er so deutete, dass sich weder die Zentralregierung noch die moderne Welt sich für diese abgelegene Region interessiere und die Menschen resigniert akzeptierten, was über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde.
Guardia Perticara, nur 18 Kilometer von Aliano entfernt, erlebt gerade wie «fremde Herren» über die Zukunft des Ortes entscheiden. Guardia Perticara ist nicht irgendein Dorf. Als einzige Ortschaft der Basilikata - so heisst der grösste Teil Lukaniens im heutigen Italien- hat Guardia Perticara einerseits die «bandiera arancione», die höchste Tourismus-Auszeichnung, die eine kleine Gemeinde in Italien haben kann, und ist anderseits Mitglied der «schönsten Dörfer Italiens». Guardia Perticara war auch Drehort der Verfilmung von «Cristo si è fermato a Eboli». Nun soll ausgerechnet dort in Dorfnähe die grösste Sondermülldeponie Europas für Ölabfälle, Schlamm und Asbest entstehen. So nahe am Dorf, dass man es im Dorf täglich riechen wird.
Von Resignation ist jedoch keine Rede. Die Bewohner haben sich organisiert und sorgen mächtig für Aufsehen in den Medien (www.salvaguardia.org). Wer die Region kennt, die unbewohnten Täler und Ebenen, kann nur ungläubig den Kopf darüber schütteln, dass man schon nur auf die Idee kommt, eine Sondermülldeponie
so nahe an Wohngebiet zu bauen. Wer Guardia Perticara kennt, fragt sich erstaunt, wie die Region Basilicata der Zerstörung des touristischen Potentials des «paese delle case di pietra» zustimmen kann.
Dank Demokratie und Digitalisierung können die heutigen Lukanier sich wehren. Ihren Vorfahren war dies unter dem Faschismus verwehrt, wie zuvor wegen den jahrhundertalten feudalen Strukturen. So wurde sogar im EU-Parlament eine Interpellation eingereicht. Christus hat vielleicht länger gebraucht bis er ankam, aber heute wehren sich die Lukanier wie alle anderen Europäer auch, wenn ihnen Unrecht droht.
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