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Über den Tisch gezogen

Die Strompreise in Huttwil steigen nächstes Jahr um 80%. Die Gründe für diese Erhöhung lassen mich staunen. Die Industriellen Betriebe Huttwil produzieren selber keinen Strom, müssen ihn also kaufen. Das machen sie recht geschickt, ihre Preise sind deutlich tiefer als bei der BKW und werden auch weiterhin tiefer sein. Zu über 97% handelt es sich um Strom aus erneuerbaren Energiequellen, fast ausschliesslich aus Schweizer Produktion. Nicht erneuerbare Energien machen weniger als 2.5% aus, Gas 0.00%. Null Komma null null. Die Preiserhöhung ist also nicht darauf zurückzuführen, dass die IBH teuren Gasstrom einkaufen würden.

Beim Stromhandel wird das Order Merit Prinzip angewendet. Alle Anbieter bekommen den höchsten Preis für den ein Anbieter einen Abnehmer gefunden hat. Stellen Sie sich das einmal bei Brot, Milch, Wohnungsmieten, Hüftoperationen, Kita-Plätzen, Spitex-Betreuung usw. vor. Egal wo Sie kaufen, bezahlen Sie den höchstmöglichen Preis. Können Sie sich an den Skandal in Graubünden wegen Preisabsprachen im Baugewerbe erinnern? Da bekam derjenige der Zuschlag, der das günstigste aber überteuerte Angebot gemacht hat. Hier bekommen alle den Preis des teuersten Anbieters, der einen Abnehmer gefunden hat. Die Verlockung für Preisabsprachen ist noch grösser als im Baugewerbe. Bei solchen Spielregeln bekommt jeder Mafiaboss glänzende Augen!

Weil Stromhandel meistens über Termingeschäfte betrieben wird, muss der Anbieter den entsprechenden Betrag als Sicherheitsgarantie deponieren. Die Axpo bringt das in Liquiditätsschwierigkeiten und nun soll sie Bundesgelder bekommen. Die Aktionäre sind bei allen grossen Schweizer Stromkonzerne (mehrheitlich) die Kantone. In einem normalen Markt würden die Aktionäre die Liquidität bereitstellen, die das Unternehmen braucht. Weil die Kantone Aargau, Zürich, Schaffhausen usw. sich weigern dies bei der Axpo zu tun, soll also der Bund einspringen. Etwas abgekürzt: die Bundessteuern der Huttwilerinnen und Huttwiler sollen für die Sicherheitsgarantie verwendet werden, die die Axpo für den höheren Preis hinterlegen muss, die sie der IBH in Rechnung stellt.

Kleiner Einschub: wir reden hier von den Kantonsregierungen, die jeden Rappen im Gesundheits- und Sozialwesen umdrehen, um die Entschädigung von Umkleidezeit feilschen und immer von den Anderen verlangen, sie sollten effizienter und günstiger werden.

Sind Sie schon wütend? Ich muss sie enttäuschen, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Nun sollen wir Konsumenten zusätzlich die Stromproduzenten dafür finanziell entschädigen, dass sie ihre Stauseen nicht leeren. Strom aus Wasserkraft ist verhältnismässig günstig und es könnte sich für die Stromkonzerne ausrechnen, die Stauseen zu leeren, dafür den Preis des aktuell höchsten Angebots zu kassieren, und später ihren Kunden Strom zu verkaufen, den sie teuer eingekauft haben. Order Merit sei Dank!

Sind Sie jetzt wütend? Die Geschichte ist immer noch nicht zu Ende. Diese Marktentwicklung bringt kleine Stromunternehmen in Schwierigkeiten und es zirkulieren bereits Gerüchte, dass die Ersten der BKW zum Verkauf angeboten wurden. Mit anderen Worten: die grossen Stromkonzerne könnten, mit dem Segen ihrer Kantonsregierungen, kleinere Anbieter in den Ruin treiben, sie günstig aufkaufen und ihre Markposition verbessern. Zu den Auswirkungen auf den Preis für uns Konsumenten, siehe erster Abschnitt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Hannes Hofstetter (Mittwoch, 14 September 2022 04:24)

    Wütend bin ich bei der Lektüre nicht geworden (das bringt ja erfahrungsgemäss eher wenig), aber eine Augenbraue ging schon ein paarmal hoch.

    Vieles von dem, was du schriebst, habe ich nicht gewusst. Danke für den Erkenntnisgewinn.