Der Bezug der Kinder der Auswanderer zur Basilicata hängt von der Beziehung der Eltern zur Heimat ab. Je nachdem ob sie regelmässig mit ihren Eltern in die alte Heimat zurückkehrten, Traditionen weiterpflegten oder sich die Auswanderer von ihrem alten Leben vollends lösten, fühlen sie die Kinder mit dem Thema verbunden oder nicht. Es gibt Filme und Bücher, die der Frage nachgehen, wie diese Kinder der Auswanderer das Lukanien ihrer Vorfahren sehen und verstehen.
In seinem Dokumentarfilm "Road to Myself" sucht der Grossstädter Alessandro Piva das Süditalien, das sein Vater verlassen hat. Der hektische Grossstädter wird ruhig, passt sein Tempo an. Im Wissen, dass er dieser Langsamkeit entfliehen wird, zurück in seine Grossstadt gehen darf. Seine Reise führt zu zahlreichen Orten der Stille, die von einer vergangenen Grösse erzählen, schenkt ihm Begegnungen mit Menschen, die geblieben oder zurückgekehrt sind. Menschen, die sich auf das Wesentliche im Leben konzentrieren, sich von den vielen Möglichkeiten des städtischen Lebens nicht ablenken lassen.
Rocco Giuliano ist als Kind häufig mit seinen Eltern (Vater aus Colobraro, Mutter Deutsche) ins Heimatdorf seines Vaters gereist. In seinem Buch «An der Sohle des Stiefels» beschreibt er seine erste Reise ohne Eltern dafür mit Frau und Kind in diese Heimat, diese halbe Heimat. Wer die Gegend kennt wird schmunzeln, manch ein Secondo wird Situationen wiedererkennen, die er selber erlebt hat. Eingangs beschreibt Giuliano seine deutsche Prägung, die immer wieder spürbar ist. Seine Beschreibung einer Überholszene rief bei mir unweigerlich die Frage auf, wie langsam er denn fahre. Die Entwarnung folgte ein paar Seiten weiter. Von Colobraro zum Spital in Policoro braucht er 40 Minuten, ich würde es in knapp unter 30 Minuten schaffen. Er ist keiner dieser Extremlangsamfahrer, die man in Süditalien antrifft. Giuliano ist halt auch integriert, ein Teil dieser Gesellschaft, denn er kann die wichtigste Frage mit einem einzigen Wort beantworten. In der Basilicata fragt man Dich nicht «wer bist Du?» sondern «zu wem gehörst Du?». Der Spitzname seines Vaters genügt als Antwort.
Als Historiker hat Michael Mente (Vater aus Pomarico, Mutter Schweizerin) einen anderen Blick. Sein Buch «Matera, die Basilicata und ich» ist eine detailreiche Sammlung von Informationen, die teilweise auch in seinem Blog zu lesen sind. Zahlreiche Fotos ergänzen dieses Buch, das faktenbasierter, weniger emotional als Pivas Film und Giulianos Buch, aber dennoch genauso persönlich ist. Die Informationsfülle ist so gross, dass dieses Buch mehr ein Nachschlagewerk, ein Buch ist, das portionenweise gelesen werden will. Mit Mente tauchen Sie in die vielen Details ein, die die Vielfalt der Basilicata ausmachen.
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