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Stadt und Land

Früher hörte ich öfters die Behauptung, jeder Schweizer Städter habe Verwandte, die Bauern seien. Diese Behauptung habe ich schon lange nicht mehr gehört und wenn ich den aggressiven Tonfall der Kampagnen bei Abstimmungen zur Landwirtschaftspolitik sehe, bezweifle ich auch, dass die Aussage stimmt.

 

Die Nachfahren derjenigen, die dem Ruf des wirtschaftlichen Aufschwungs der Städte folgten, haben nicht den gleichen Bezug zu dieser alten Heimat, wie diejenigen, die auf dem Land geboren wurden und in Städten starben. Der französische Geograph Christophe Guilluy umschreibt es so: ein Einwohner von Paris hat mehr gemeinsam mit Einwohnern von Berlin, London oder New York als mit Einwohnern von Brest, St. Etienne oder Nancy.

 

Das war in Süditalien unter der Herrschaft der Spanier und dem wirtschaftlichen Aufschwung der Hafenstädte und des Handels nicht anders. Einen beträchtlichen Unterschied zur heutigen Schweiz gab es jedoch: das Land gehörte den Nachfahren derjenigen Grossgrundbesitzer, die ihren Wohnsitz in die Hafenstädte verlagert hatten.

 

Dass dabei Spannungen zwischen dem Land und der Stadt aufkommen, ist nichts Neues. Der Bauernkrieg im 17. Jahrhundert hätte mit dem Sieg der Bauern aus dem Emmental, dem Entlebuch und dem Luzerner Hinterland enden können, wäre Niklaus Leuenberger weniger zögerlich gewesen.

 

Auch das Römische Reich kam in Bedrängnis als Spartakus ein Herr aus Sklaven bildete, die vor Allem aus den Latifundien, den Grossgrundbesitzen, Süditaliens stammten.

 

Einen etwas anderen Hintergrund hatten die Briganten Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Folge dieser Bewegung war ein Bruch zwischen Süd- und Norditalien. Mehr dazu in einer Woche.

 

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