«Wir werden sicher keine ganzen Täler aufgeben», sagte die Präsidentin der Gebirgskantone nach den tödlichen Unwettern im Juli. Es sei aber eine Tatsache, dass die Besiedlung seit je einem Wandel unterworfen war. Das werde auch in Zukunft so sein.
Zuhinterst im Lauterbrunnental war Amerton, eine Walsersiedlung, welche vor Jahrhunderten aufgegeben wurde. Der Mensch hat immer wieder versucht, Siedlungsflächen in Randregionen zu entwickeln. Entstanden sind verletzliche Infrastrukturen, die Unwettern nicht standhalten.
Die Diskussion über die Folgen des Klimawandels wird primär monetär geführt. Fragen wie «In Brienz GR, dem Dorf, das rutscht, wurden bisher gut 70 Millionen in den Schutz investiert – für 72 Einwohnende und 50 Gäste. Ist das nicht zu viel?» sind nicht zielführend. Die Frage ist falsch gestellt. Die wahre Frage ist, welche Folgen eine Nichtinvestition hat.
In der Basilicata gibt es drei Dörfer, die aufgrund von Erdbeben und/oder Erdrutschen aufgegeben wurden: Alianello, Campomaggiore und Craco. Alianello und Craco wurden im Rahmen von Zwangsumsiedlungen durch seelenlose Dörfer ersetzt, welche die Landflucht nicht aufhalten können. Die alten Dörfer sind heute Openair-Museen, in der Zeit stillgestandene Orte. Das neue Campomaggiore hingegen ist ein lebendiges Dorf und die Ruinen des alten Dorfes haben eine neue Identität entwickelt.
Die Schweiz kann daraus lernen. Es geht nicht darum, ob sich eine Investition finanziell lohnt. Der Wandel hat finanzielle, soziale, kulturelle, ökologische und symbolische Folgen, die sorgfältig abgewogen werden müssen.
Achten Sie bei Ihrer nächsten Wanderung in steilem Gelände auf die Wasserinnen. Sind sie leer oder voller Steine und Blätter? Kümmert sich jemand, um diese Wasserrinnen? Sind sie voll, wird das nächste Gewitter sie leeren. Mit dem Wasser anderer Rinnen werden sich Bäche bilden, vielleicht gar Fluten, die Steine und Bäume bis ins bewohnte Gebiet mitreissen.
Wer die Wasserrinnen pflegt, schützt die Gemeinschaft im Tal.
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Plinio Martini, der 1979 verstorbene Tessiner Autor, schildert wirklichkeitsnah und mit emotionaler Sprache das Leben der armen Bauern aus dem Bavonatal.
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