Wir müssen nur wenige Schritte auf unserer Umkehr tun, um Hinweise zum sozialen Kapital in der Schweiz zu finden. Vor wenigen Tagen schrieben zahlreichen Zeitungen, dass über die Hälfte der Kinder und Jugendliche eine Therapie brauchen, bevor ihre obligatorische Schulzeit vorbei ist. Gemeint ist eine Therapie für psychische Erkrankungen.
Gemäss Gesundheitsförderung Schweiz sind soziale Ressourcen die beste Vorbeugung gegen psychische Erkrankungen. Soziale Ressourcen sind «soziale Teilhabe» (in einer Gemeinschaft involviert sein), «soziale Netze» (Beziehungen haben) und «soziale Unterstützung» (Vermittlung von Hilfe durch Mitglieder der sozialen Netze). Dies entspricht Bourdieus Definition von sozialem Kapital.
Gemäss Bourdieu verringert soziales Kapital soziale Kosten, das Fehlen von sozialem Kapital wälzt die Kosten auf die Allgemeinheit ab. Die Therapie einer psychischen Erkrankung ist eine solche Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit.
Anders gesagt: die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz haben nicht genügend soziale Ressourcen (soziales Kapital), erkranken und brauchen Ressourcen der Allgemeinheit.
Die Presseartikel geben keinen Aufschluss darüber, ob es den Kindern und Jugendlichen an sozialer Teilhabe, Netze oder Unterstützung fehlt oder ob der Ressourcenverbrauch das Problem ist.
Margrit Stamm, eine pensionierte Wissenschaftlerin, vertritt die Meinung, der Erfolgsdruck in der Schule sei die Hauptursache. Ein zentraler Punkt sei die mangelnde Selbstwirksamkeit, die Überzeugung erfolgreich handeln zu können. Selbstwirksamkeit braucht soziale Unterstützung.
Was läuft in der Schweiz falsch, dass unsere Kinder und Jugendliche psychisch erkranken?
Buchemfehlung
Margrit Stamm (2022) Angepasst, strebsam, unglücklich ISBN 978-3-466-37285-0
Die ehemalige Professorin für Pädagogische Psychologie und Erziehungswissenschaften erklärt in diesem Buch die Folgen der Hochleistungsgesellschaft für Schweizer Kinder.
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