Am 24. Dezember von der sozialen Dimension der Glaubensgemeinschaften zu schreiben, mag nicht besonders originell sein, ist aber durchaus zeitgemäss.
Die Landeskirchen verlieren Mitglieder, spätestens in zwei Jahren wird weniger als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung einer Landeskirche angehören. Teilweise haben die Austretenden zu anderen Glaubensgemeinschaften gewechselt, die bessere Antworten auf ihre Fragen haben. Bereits heute sind die Konfessionslosen in der Schweiz zahlreicher als die Reformierten oder die Katholiken.
Es geht hier nicht um Glauben, sondern um soziale Teilhabe, Netzwerke und Unterstützung, kurz soziale Ressourcen. Einer Gemeinschaft anzugehören ist eine soziale Ressource. Wer auf ein Gemeinschaftsleben verzichtet, verliert soziale Ressourcen. Der Mitgliederschwund der Landeskirchen ist deshalb ein Indiz für den Verlust sozialer Ressourcen. Zumindest, wenn die Austretenden keine alternativen Ressourcen aufbauen und pflegen.
Vor Kurzem schrieb der französische Schriftsteller Romain Sardou in der Zeitung Le Figaro "Depuis Darwin jusqu'à Kropotkine, nous savons que la loi du meilleur, ce n'est pas la loi du plus fort, mais celle de l'entraide." (Seit Darwin und bis Kropotkin wissen wir, dass das Gesetz des Besten nicht das Gesetz des Stärkeren ist, sondern das Gesetz der gegenseitigen Hilfe.)
Nur die Religionen seien zurzeit wirklich in der Lage, grundlegende Moral- und Wertvorstellungen allgemeinverbindlich in der Gesellschaft zu prägen, schreibt Gregor Gysi, ein bekennender Atheist.
Wenn unsere Zeitreise uns an den Anfang des Schweizer Sonderwegs führt, geht es unweigerlich auch um die Verfassung, die sich die Schweiz damals gab. Sie beginnt mit den Worten: Im Namen Gottes des Allmächtigen!
Was wenn das Schweizer Volk nicht an Gott den Allmächtigen glaubt? Gilt dann der Rest der Präambel der Verfassung auch nicht? Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber
der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger
Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung.
Der Schweizer Sonderweg wurzelt in grundlegenden Moral- und Wertvorstellungen, die christlich geprägt sind. Gilt das weiterhin, wenn sich die Schweiz neu erfindet?
Frohe Weihnnachten!
Hinweis: Piotr Kroptokin war ein russischer Anarchist, der in der Schweiz Zuflucht gefunden hatte und 1881 auf Druck Russlands ausgewiesen wurde
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Weihnachten soll ausfallen, was einigen Menschen in London nicht gefällt. Sie verbünden sich, um Weihnachten zu retten. Der Roman liest sich wie ein Werk von Charles Dickens.
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