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Kulturelle Schwäche?

Nationalstaaten können sich in Krisensituationen auf ihre kulturellen Wurzeln berufen und dabei die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ansprechen. Als Vielvölkerstaat ist dies der Schweiz verwehrt.

 

Natürlich können sich Politiker mit der Hellebarde gegen Verträge wehren, aber sie sprechen dabei nur einen Teil der Bevölkerung an. Fremdschämen, Kopfschütteln und Gelächter werden ebenso ausgelöst, denn viele Schweizer:innen identifizieren sich nicht mit Arnold Winkelried.

 

Als Vielvölkerstaat ist die Schweiz auch kulturell vielfältig und wenige Künstler sind im ganzen Land bekannt. Was auf der anderen Seite des Röstigrabens kulturell geschieht, ist so wenig bekannt, wie das Interesse für die Kultur «outre Sarine» gering ist. Die italienisch- und rätoromanischen Kulturschaffenden erhalten noch weniger Beachtung.

 

Die moderne Schweiz hat sich nicht bemüht, tiefgreifende kulturelle Wurzeln zu bilden. Nationalromantiker versuchen zwar mit Wilhelm Tell und seiner Armbrust sowie Arnold Winkelried und der Hellebarde so etwas wie eine kulturelle Tradition heraufzubeschwören, sie spalten das Land aber eher. Anton Winkelried eignet sich so wenig als Nationalheld wie Major Tavel.

 

Die kulturelle Stärke der Schweiz sind die Bildung. Das vielseitige Bildungswesen mit seinen vielen Pfaden und Möglichkeiten beruflicher Entwicklung sind ein Sinnbild für die kulturelle Vielfalt des Landes.

 

Diese Vielfalt widerspiegelt sich auch in Abstimmungen zum Sozialwesen. Hat die Schweiz das Sozialkapital vernachlässigt, weil sie in dieser Frage kein gemeinsames Ziel hat?

 

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