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Traditionen?

Bevor wir unsere Umkehr beenden und uns der Zukunft widmen, betrachten wir den Umgang der Schweiz mit ihren Traditionen. Ein Interview von Melanie Oesch lässt tief blicken. Während Oesch’s die Dritten in der Deutschschweiz den Volksmusikpuristen zu wenig linientreu sind und von anderen für ihre angebliche Heimattümelei belächelt werden, sehen die Welschen das Spiel mit der Tradition entspannter, steht im Artikel der Berner Zeitung.


In der französischsprachigen Schweiz ist Jodel in Berndeutsch keine Tradition und das Publikum an den Oeschs Konzerten ist jünger und diverser. In der deutschsprachigen Schweiz findet eine Schubladisierung statt, was die Weiterentwicklung von Kultur hemmt.


Solche Differenzen zwischen Volksmusikpuristen und Modernen gibt es in Süditalien genauso, wenn die Diskussion sich um die Tarantella dreht. Die Meinungen sind vielfältig und die Probleme beginnen erst, wenn einige die Wahrheit für sich gepachtet haben wollen.


Was heute als typisch schweizerische Traditionen angeschaut werden, sind in Wahrheit bäuerliche Traditionen, die anderswo genauso gelebt werden. In San Mauro Forte (Provinz Matera) ziehen am 16. Januar die Menschen mit «Trychlen» durch die Gassen, sie heissen dort «campanacci».


Genauso gibt es in der Basilicata das Handauflegen wie es im Emmental Tradition ist. «Geht es hier mit rechten Dingen zu?» fragte das Schweizer Fernsehen in einem Dokumentarfilm zu einem Handaufleger. Traditionen sind Wissensweitergabe, Wissen aus früheren Zeiten, teilweise vor der Christianisierung der Schweiz oder Süditaliens. Wissen aus Zeiten vor dem Aufkommen des Rationalismus.


Traditionen leben weiter, wenn sie gepflegt werden und sich entwickeln dürfen. Grundvoraussetzung dazu ist Respekt, ein sehr wichtiger Aspekt in einem Vielvölkerstaat mit den unterschiedlichsten Traditionen. Kann die Schweiz diesen Respekt im Zeitalter von Personenkult und – bashing? Kann die Schweiz noch in Grautönen denken?

 

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