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Zweiter Zwischenhalt

Bereits erreichen wir die 30. Etappe unserer Zeitreise. Wir halten wieder an, schauen zurück.


Die Schweiz hat Mitte des 19. Jahrhunderts einen Weg eingeschlagen, den kein anderes Land in Europa gewählt hat: die Bildung eines liberalen, direktdemokratischen Vielvölkerstaates. Lange hat dieser Sonderweg der Schweiz Friede und Wohlstand geschenkt. Nun mehren sich die Zeichen, dass dieser Sonderweg am Ende ist.


Die Hoffnung hat sich zerschlagen, die Schweiz sei irgendeinmal auf diesem Sonderweg falsch abgebogen und die Umkehr zur passenden Kreuzung würde die Schweiz wieder auf den richtigen Weg führen. Der Sonderweg geht zu Ende, weil die Schweiz die Grenzen des liberalen, direktdemokratischen Vielvölkerstaates zu spüren bekommt.


Gleichzeitig verändert sich die Welt. Während es der Schweiz gelang, sich mehrheitlich aus den Weltkriegen rauszuhalten, kann sie sich dem Konflikt zwischen hierarchischen Strukturen und Netzwerkstrukturen nicht entziehen, denn der Konflikt wird auch im Inland ausgefochten.


Ich hoffe, nun wird verständlich, wieso ich den ZEITREISE-Blog mit den Worten begann In den letzten Monaten ist in mir beim Schreiben meines Blogs die Überzeugung gereift, dass auf die Schweiz das zukommt, was die Basilicata im 19. Jahrhundert erfahren hat. Ein grundlegender Wandel, welcher ein System aus der Welt schafft, und die schwierige Suche nach einem neuen Gleichgewicht. In Süditalien herrschte damals ein System, welches nicht in der Lage war, auf Veränderungen zu reagieren. An der Macht waren Kräfte, welche das Bisherige mit allen Mitteln erhalten wollten, auch weil sie viel zu verlieren hatten. Kräfte, welche die Vergangenheit glorifizierten, aber vor Allem an sich dachten. Ein System, welches zu viele Verlierer produzierte, immer mehr Verlierer, bis alles kippte. Bis die Verlierer nicht mehr mitmachten, sich wehrten und (fast) alle zum Verlierer wurden.


Der Austausch weniger Wörter genügt, um die heutige Situation der Schweiz zu beschreiben: In der Schweiz herrscht heute ein System, welches nicht in der Lage ist, auf Veränderungen zu reagieren ……

 

Die Schweiz ist an einem Wendepunkt angelangt. Wohin geht der Weg?

 

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Giovanni Testori (1958) Il ponte della Ghisolfa ISBN 978-8807881749


Testori beschreibt Menschen in Mailand, die ihre Heimat verlassen haben, um ein besseres Leben zu finden, ohne dabei wirklich Erfolg zu haben. Luchino Visconti nutze dies als Vorlage für den Film Rocco und seine Brüder (Rocco e i suoi fratelli). Rocco (Alain Delon) ist ein lukanischer Auswanderer.

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